Premierenberichte

"Il Trionfo del Tempo e del Disinganno" an der Staatsoper Berlin

24.01.2012 | Schönheit (bellezza), Vergnügen (piacere), Zeit (tempo) und Enttäuschung (disinganno) treffen sich (in der Inszenierung von Jürgen Flimm in einem Restaurant), um miteinander in einen Wettstreit zu treten. Das Vergnügen möchte die Schönheit auf seine Seite ziehen, Zeit und Ent-Täuschung versuchen das gleiche. Schließlich triumphieren tempo und disinganno. Das ist die Geschichte, die Georg Friedrich Händel 1707 in seinem ersten Oratorium thematisierte. Kein üblicher Opernstoff - für Jürgen Flimm - obwohl erfahren genug - sicher eine neue Herausforderung, der er sich 2003 gemeinsam mit dem Dirigenten Marc Minkowski in Zürich stellte. Nun war die Inszenierung erneut an der Staatsoper im Schillertheater zu erleben: ein eher seltenes Vergnügen, denn gewöhnlich werden eher Händels spätere Oratorien aufgeführt. Die Presse ist sich einig: Inszenierung wie musikalische Leistung sind zu loben. "Hier kommt alles zusammen: Musik, Bildhaftigkeit, Orchestersprache, Bühnenaufriss, Gesang und Regie, um aus Händels Oratorium ein durch und durch fesselndes Bühnenerlebnis zu machen. Jürgen Flimms Regie wird am Schiller Theater mit Recht bejubelt", schreibt die Berliner Morgenpost. "Neben dieser besten Opern-Arbeit von Jürgen Flimm in 20 Jahren ist der Dirigent Marc Minkowski zweiter Hauptgrund, sich die Produktion anzusehen", war gar auf RBB Kulturradio zu hören. Und selbst die BILD-Zeitung urteilt: "Ein herrlicher Opernabend". Foto: Hermann und Clärchen BausWeiterlesen

"Peter Grimes" in Nordhausen

22.01.2012 | Ein anspruchsvolles Musiktheaterprojekt, eine große Chor-Oper: "Peter Grimes" wurde in Nordhausen zuletzt vor 50 Jahren gespielt. Nun hat sich Regisseur Toni Burkhardt des Sujets angenommen: "Das Theater Nordhausen wagt sich an Benjamin Brittens anspruchsvolle Oper ‚Peter Grimes‘ und gewinnt", schreibt die Thüringer Allgemeine. Die Geschichte des Außenseiters Peter Grimes, dem es trotz harter Arbeit und starken Willens nicht gelingt, in der Dorfgemeinschaft des englischen Fischerstädtchens Fuß zu fassen, der schließlich dem Wahnsinn verfällt, ist ein imposantes Werk. Expressiv und ausdrucksstark, stellt die Oper das bedrohliche, düstere und unberechenbare Meer der englischen Ostküste in den Mittelpunkt des musikalischen Erlebnisses. "Zu den Erlebnissen meiner Kindheit gehörten die wilden Stürme, die oftmals Schiffe an unsere Küste warfen und ganze Strecken der benachbarten Klippen wegrissen", schrieb der Komponist selbst anlässlich der Entstehung seiner Oper, die 1945 uraufgeführt wurde und seither fester Bestandteil der Opernspielpläne ist. Für das Theater Nordhausen stellte dieses umfangreiche Projekt ein Wagnis dar, das geglückt ist. Nochmal die Thüringer Allgemeine über die Leistung der Kollektive und den musikalischen Leiter, Markus L. Frank: "Der Mann auf der Dirigentenbrücke führte das Loh-Orchester auf korrektem Kurs durch die pikante Partitur. Der durch Studenten der Weimarer Musikhochschule erweiterte Opernchor (Einstudierung: Elena Pierini) verstärkte den packenden und alle Solisten stützenden Sound." Das Foto zeigt Sabine Mucke als Ellen Orford und Mitglieder des Ensembles.Weiterlesen

"Großstadt-Triptychon"

19.01.2012 | Stefan Wolpe, Kurt Weill, Edmund Nick: Das sind die Komponisten des ehrgeizigen Bühnenprojekts, das das Musiktheater im Revier jetzt realisierte. Alle drei Einakter handeln in und von der Großstadt, ihre Entstehungszeit fällt in die zweite Hälfte der 1920er-Jahre, die als "golden" galten, bevor sie sich in der Weltwirtschaftskrise verloren und schließlich abrupt und bitter in die Herrschaftszeit der Nationalsozialisten übergingen. Während Wolpes Werk vom alternden Zeus handelt, der sich in Berlin auf die Suche nach der Königstochter Europa begibt, versetzen Weill und sein Partner Bert Brecht ihre Handlung in die Stadt Mahagonny, wo alle Ideale der Zügellosigkeit und Habsucht gewichen sind. Edmund Nick schließlich stellt gemeinsam mit Erich Kästner den großstädtischen Durchschnittsmenschen namens Schmidt in den Mittelpunkt seines Werks. Dieses "Großstadttriptychon" hat die Choreografin (und zukünftige Ballettdirektorin am Haus) Bridget Breiner in Gelsenkirchen zu einem Bühnenerlebnis gemacht, welches Oper und Tanz miteinander verbindet. So werden die Chorsänger zum Beispiel auch choreografisch eingesetzt - und bewältigen diese Aufgabe mit großem Geschick. Für Breiner war dies "eine immense Aufgabe, die sie ideenreich löste und perfekt bewältigte", so die Ruhr-Zeitung, die darüber hinaus von einem "sicher agierenden Solisten- und Chor-Team" und "stilsicher spielenden Musikern" unter der Leitung von Clemens Jüngling zu berichten weiß, "der die Zügel des oft turbulenten Geschehens sehr souverän und temperamentvoll im Griff hat". Begeisterter Beifall des Gelsenkirchener Publikums!Weiterlesen

"Simplicius Simplicissimus" in Osnabrück

18.01.2012 | Den berühmten Abenteuer- oder auch Schelmenroman von Jakob von Grimmelshausen, erschienen 1686, hat Karl Amadeus Hartmann ein Jahr nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten vertont. Der Komponist selbst zog sich während des "Dritten Reichs" in die innere Emigration zurück, seine Oper wurde erst 1949 uraufgeführt. Die abenteuerlichen Erlebnisse des einfältigen "Simplicius" verlegt Regisseur Jochen Biganzoli in ein Klassenzimmer. Besser: in diverse Klassenzimmer aus verschiedenen Epochen. So kann er das Hartmann’sche Antikriegsbekenntnis über einen längeren Zeitstrang hinweg manifestieren. Immer geht es - wie in der Romanvorlage - um Streit, Krieg, Gewalt. Am Schluss der Osnabrücker Inszenierung steht der Tod des Titelhelden. Dessen Entwicklung "zum flammend humanistischen Idealisten" lässt sich in der Darstellung durch Marie-Christine Haase dank ihrer "emphatischen Darstellung und ihres jugendlich-kernigen Soprans" gut nachvollziehen, ist in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zu lesen. Das Fazit dort lautet: "Herber Stoff, vorzüglich aufbereitet". Das Foto (Jörg Landsberg) zeigt (v.li.n.re.) Mark Hamman als Gouverneur, Marie-Christine Haase als Simplicius, Genadijus Bergorulko als Hauptmann sowie Mitglieder des Chors.Weiterlesen

"Lear" in Hamburg

16.01.2012 | Bereits 24 mal wurde Aribert Reimanns "Lear" inszeniert und aufgeführt. Für ein Musiktheater-Werk aus dem Bereich der Neuen Musik ist das schon eine kleine Sensation. Bei der Hamburger Premiere, inszeniert von Karoline Gruber, war der Komponist selbst anwesend und zeigte sich begeistert. Eine "phantastische Aufführung" attestierte er der Regisseurin ebenso wie der Dirigentin Simone Young. Vor allem aber Bo Skovhus in der Titelrolle hatte es ihm angetan. Ebenso wie dem Kritiker des Bayerischen Rundfunks: "Bo Skovhus beherrscht alles, was diese enorm anspruchsvolle Partie erfordert: große Wandlungsfähigkeit vom brachialen Wutausbruch bis hin zum Selbstmitleid und zur einfühlsamen Trauer", urteilt er. Zwar verließen etliche Zuschauer, vielleicht überfordert von den überwältigenden Klängen, in der Pause das Opernhaus. Doch zu Unrecht, meinen die Kritiker: "Wer erleben möchte, wie weit sich zeitgenössische Musik der elementaren Wucht eines Shakespeare-Dramas anverwandeln kann (…), der muss in diese Aufführung gehen", schreibt die Hamburger Abendzeitung. Das berühmte Bühnenwerk Shakespeares, das der Avantgarde-Komponist Reimann 1978 auf die Bühne des Musiktheaters brachte, kann in Hamburg eindeutig als Erfolg verbucht werden. Selbst die musikalische Leiterin, in der Regel in Hamburg eher vom Publikum geschmäht, durfte begeisterten Beifall entgegen nehmen. Das Foto (Brinkhoff/Mögenburg) zeigt Andrew Watts als Edgar.Weiterlesen

"Tosca" in Plauen

12.01.2012 | Vor ausverkauftem Haus zeigte das Theater Plauen eine der beliebtesten Opern des Repertoires: Die "Tosca" von Giacomo Puccini, die von Macht- und Intrigenspiel, aber auch von der Liebe der Sängerin Tosca zum Maler Mario Cavaradossi handelt. Um ihn zu retten, zeigt sie sich schließlich bereit, sich dem bösen Polizeichef Scarpia hinzugeben. Das tödliche Finale bleibt - wie bekannt - nicht aus. Regisseur Roland May hat sich entschlossen, die Oper in der historischen Originalzeit anzusiedeln, also um das Jahr 1800. "Das gefällt", schreibt "Der Zwickauer", "zumal der Stoff selber hochaktuell ist und keine modernen Kostüme braucht." "Eine betäubende Mischung aus Sex, Politik und dem Muff alter Hüte lag in der Luft", urteilt die "Freie Presse" und attestiert den Sängern: Ihnen "gelingt es, die Emotionalität der sich förmlich überschlagenden Arien bis in den letzten Winkel des Gehörgangs zu transportieren." Das Publikum dankte dem Regisseur, dem musikalischen Leiter Lutz de Veer, und den Musikern mit leidenschaftlichem Applaus. Das Foto (Peter Awtukowitsch) zeigt Ricardo Tamura als Cavradossi.Weiterlesen

"Riemannoper" in Halle

09.01.2012 | 1988 uraufgeführt, widmet sich die Oper von Tom Johnson einem zunächst vermeintlich untauglichen Opernthema: Basis der "Handlung" ist Hugo Riemanns 1882 erstmals herausgegebenes und seither ständig neu aufgelegtes und aktualisiertes Musiklexikon. Die vier Sänger führen einzelne von Johnson aufgegriffene Lexikon-Artikel musikalisch und durchaus auch spielerisch vor, wobei der Komponist Regisseur und Darstellern recht freie Hand in der Interpretation lässt. Der Künstlerische Leiter der Oper Halle, Axel Köhler, hatte die nahe liegende Idee, das Stück zu einer Farce zu gestalten, die den aktuellen Musiktheaterbetrieb - angesichts allüberall drohender Einsparungen - aufs Korn nimmt. Die vier Sänger werden zu Konkurrenten und verlieren sich in ihren Rivalitäten und Streitereien ebenso wie in Liebesverwicklungen. Höchst aktuell singen sie gegeneinander, um ihre Position zu festigen und nicht weggespart zu werden. "In der spartanischen Ausstattung von Petra Ziegenhorn und unter der musikalischen Leitung der Pianistin Katrin Wittrisch singen und spielen sich Marie-Friederike Schöder, Sandra Maxheimer, Michael Smallwood und Gerd Vogel mit selbstverständlichem Können und sichtlichem Vergnügen durch die Seiten des Buches", schreibt die Mitteldeutsche Zeitung. Das Publikum dankte der gelungenen, durchaus auch kabarettistisch geprägten Vorstellung, mit großem Beifall. Foto: Gert KiermeyerWeiterlesen

"La Traviata" in Bremerhaven

30.12.2011 | Die Geschichte der kurzen Liebe zwischen der Kurtisane Violetta und dem aus bürgerlichen Kreisen stammenden Alfredo Germont - basierend auf der "Kameliendame" des französischen Alexandre Dumas und vertont von Giuseppe Verdi - hat Generationen von Opernliebhabern berührt und gefesselt. Obwohl sie erkennt, was die wahre Liebe von der käuflichen unterscheidet, kann Violetta ihr Glück nicht finden. Verzicht und Krankheit hindern sie daran, mit Alfredo glücklich zu werden. In Bremerhaven überzeugte die Regie-Arbeit von Kirsten Uttendorf ebenso wie die musikalische und darstellerische Leitung der Solisten. Aber auch der Chor begeistert, vor allem in der Maskenball-Szene nach der Rückkehr Violettas in ihr altes Leben: "Der Opernchor des Stadttheaters zeigt an dieser Stelle einmal mehr, was er kann", berichtet Radio Bremen - und zieht das Fazit: "Zweieinhalb Stunden romantischer Opernstoff, dem die Macher seine Aktualität ohne überzeichnete Modernismen mühelos abgewinnen können - unbedingt sehenswert."Weiterlesen

"Cinderella" in Augsburg

30.12.2011 | Gleich mit fünf bösen Stiefschwestern muss sich Aschenputtel in der Augsburger "Cinderella"-Version (Choreografie: Mauro de Candia) herumschlagen. Und mit einer Stiefmutter, die von Erich Payer mit großer Lust und einer gehörigen Portion Humor dargestellt wird. Als Pendant zu den zickigen Schwestern setzt der Choreograf dem schönen Prinzen fünf Minister an die Seite, die Hektik und Leere des königlichen Hofes aufs Schönste demonstrieren. Beide - Prinz und Aschenputtel - passen nicht in ihre Umgebung und versuchen im Lauf des Abends, sich daraus zu befreien, zu Selbstbestimmung und zueinander zu finden. Dieses Zueinanderfinden gipfelt in einem anrührenden Pas de deux der beiden Protagonisten. Das beliebte Handlungsballett von Sergej Prokofjew wurde vom Augsburger Publikum enthusiastisch gefeiert. "Die Augsburger Ballett-Compagnie begeistert nicht nur mit hohem tänzerischen Niveau, sondern auch durch Schauspielvermögen und Gespür für feine Komik ohne plumpen Klamauk", schreibt die Augsburger Allgemeine. Und "a3 Kultur" lobt die Leistung des Choreografen: "Auffallend musikalisch und mit modern geprägter choreografischer Handschrift setzte Mauro de Candia als Gast sein erstes Handlungsballett auf die Bühne des Augsburger Theaters."Weiterlesen

"Hänsel und Gretel" in Lüneburg

28.12.2011 | In Lüneburg verlagert Regisseur Friedrich von Mansberg die altbekannte Märchenhandlung "Hänsel und Gretel" in die Gegenwart - und ins Reich der Träume. Die beiden Geschwister waren unvorsichtig und haben den Staubsauger kaputt gemacht. Der allein erziehende (und überforderte) Vater droht mit der bösen Hexe, die unartige Kinder holt - und prompt dringt diese in die Träume der Kinder ein. Bei allen Ängsten wissen die beiden, dass sie sich aufeinander verlassen können. Und: Irgendwann geht jeder (Alb-)Traum zu Ende - so auch dieser. Die Lüneburger Inszenierung thematisiert aktuelle Probleme, so das Fehlen der (früh verstorbenen) Mutter in der Familie, aber auch die Frage, wie Menschen miteinander umgehen und füreinander einstehen. "Franka Kraneis (Gretel) und Yaroslava Romanova (Hänsel) spielen mit Arthur Pirvu (Vater) die Familie und singen alle großartig", schreibt die Lüneburger Zeitung. "Bereichert wird die Aufführung vom Kinderchor der Musikschule, den Deborah Coombe prächtig eingestellt hat." Ein nachdenklich stimmendes Kinderoper-Erlebnis. Immerhin: Trotz Verlagerung in die Moderne bleibt es beim märchenhaften Happy End. Das Foto zeigt Yaroslava Romanova (Hänsel) und Marcus Billén als Hexe.Weiterlesen

Seiten

Premierenberichte abonnieren