24.07.2012 | Die Spartensprecher und der Betriebsrat der Theater und Philharmonie Thüringen wendeten sich mit folgendem offenen Brief an Ministerpräsidentin Lieberknecht, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Matschie sowie Finanzminister Voss:
Gera, den 19.7.2012
Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht,
sehr geehrter Herr Minister für Bildung,
Wissenschaft und Kultur Matschie, sehr geehrter Herr Finanzminister Voss!
Die Zukunft unserer fusionierten Häuser - der Theater und Philharmonie Thüringen - des einzigen Fünfspartentheaters im Freistaat ist weiterhin existenziell gefährdet.
Trotz des Erfolgs und der Leistungsfähigkeit, trotz der Bemühungen aller Beteiligten, steht unser Fortbestand auf der Kippe, drohen dramatische Entscheidungen: Ein unwiederbring-licher Verlust von Kultur wie auch von Arbeitsplätzen.
Seit 1995 wurde der Etat des Theaters um mehr als 20 % gekürzt. Es gab keine Anpassung der Finanzierung an die allgemeine Teuerung in Deutschland. Die steigenden Kosten wurden durch Einsparungen, Haustarifverträge und permanenten Personalabbau kompensiert, bei Erbringung gleicher Leistung. Praktisch waren und sind es also die Mitarbeiter, die das Haus immer wieder retten und den erklärten politischen Willen der Träger möglich machen.
Seit Bekanntwerden der unzureichenden Finanzierungsvereinbarung im Februar kämpfen wir für den Erhalt unseres Theaters in seiner jetzigen Form. Mit zahlreichen Aktionen im Theater, auf öffentlichen Plätzen und in den Medien machen wir auf die bestehende Unterfinanzierung des Hauses aufmerksam. Die Bürger der Städte zeigen sich solidarisch und plädieren für den Erhalt dieses einmaligen Kulturgutes in Ostthüringen: Über 1500 Bürger schlossen sich am 1. Mai 2012 unserem Aktionstag "Theater non stop" an. Sie alle bildeten friedliche Lichter-ketten um die Häuser Altenburg und Gera. Über 28.000 Unterschriften zeigen nachhaltig, wie groß die überregionale Ausstrahlung ist. Den Bürgern dieses Landes ist der Erhalt dieser zentralen Kulturstätte ihrer Region nicht gleichgültig, sie sind sich des hohen Stellenwertes bewusst.
In den aktuellen Tarifverhandlungen stellt sich heraus, dass die angekündigte Nachtrags-Finanzierung nur zum Teil zur Lösung beitragen kann. Trotz des Gremienvorbehalts haben die kommunalen Gesellschafter in der aktuellen Tarifverhandlungsrunde am 19.7. eine eindeutige Absichtserklärung zu ihrer Finanzierungsverantwortung abgegeben. Auch die vier vertretenen Gewerkschaften schätzen die Möglichkeit eines neuerlichen Haustarifvertrags-abschlusses als realistisch ein. Offen bleibt bisher die Position des Freistaats.
In persönlichen Gesprächen haben Sie, Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht, Herr Minister Matschie und Herr Minister Voss zugesagt, sich für uns zu verwenden und Sorge zu tragen, dass alle Verantwortlichen weiter gemeinsam nach konstruktiven Lösungen suchen. Der Absichtserklärung der kommunalen Träger muss das entsprechende Bekenntnis des Landes Thüringens folgen.
Der Freistaat sichert die zweckgebundene Finanzierung des Staatsballetts zu, aber lediglich die Personalkosten. Außer Acht gelassen wird hierbei, dass das Theater zusätzlich die gesamte technische Infrastruktur einschließlich der entsprechenden Personalkosten trägt. Es genügt nicht, nur umzuetikettieren und symbolisch zu erheben, ohne die damit geschaffenen neuen Perspektiven und Aufgaben auch finanziell umfassend und nachhaltig zu untermauern.
Offen ist die Frage der Personalstruktur. Bereits jetzt befindet sich das Theater an der Untergrenze. Deutschlandweit wird in keinem Theater von vergleichbarer Größe mit sowenig Personal ein derartiges Pensum bewältigt. Über 170.000 Besucher im Jahr sprechen für uns, das meistbesuchte Theater in Thüringen. Mit unseren Vorstellungen sind wir an der Spitze der Aufführungszahlen im Land, während diverse Abteilungen so dünn besetzt sind, wie nirgends sonst in der deutschen Theaterlandschaft. Dies betrifft den künstlerischen Bereich, wie das technische Personal. Und dabei spielen wir, anders als die meisten Häuser, in zwei Städten!! (Der physische und materielle Mehraufwand wird ebenfalls durch die Mitarbeiter getragen.)
Es bleiben die überaus drängenden Fragen nach Zukunft und Nachhaltigkeit. Werden wir im Jahr 2016 vor den selben Problemen stehen?! Gegen drohende Perspektivlosigkeit wenden sich alle Theatermitarbeiter und bitten Sie, Frau Ministerpräsidentin Lieberknecht, Herr Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Matschie und Herr Finanzminister Voß, Ihren uns gegebenen Worten Taten folgen zu lassen. Ändern Sie den Finanzierungsvertrag, welcher voreilig geschlossen wurde! Ändern Sie den Finanzierungsschlüssel der Gesellschafter! Verhindern Sie die unwiederbringliche Zerschlagung unseres einzigen Fünf-Spartentheaters in Thüringen.
Sabine Völkl - Ballett
Franziska Rauch - Oper
Andreas Knoop - Orchester
Heiko Senst - Schauspiel
Michael Rieger - Chor
Sabine Schramm - Puppentheater
Leopold Lüdecke - Betriebsrat