Am 15. März fand vor dem Arbeitsgericht Dresden ein bemerkenswertes Verfahren statt. Der Tänzer Istvan Simon, Erster Solist am Semperoper Ballett, klagt gegen den Freistaat Sachsen. Nachdem er der Leitung des Hauses gegenüber beklagt hatte, von einem Ballettmeister des Semperoper Balletts sexuell belästigt worden zu sein, verhängte diese eine Freistellung des Tänzers: Er darf nicht mehr an den Proben teilnehmen und wird für Aufführungen nicht mehr besetzt. Im Verfahren am 15. März zeigte das Gericht eine erstaunlich geringe Sachkenntnis und entschied zu Ungunsten des Tänzers. Die Freistellung respektive Suspendierung bleibt bestehen. Für einen 30-jährigen Tänzer, bisher ungemein erfolgreich und auch als Gast gefragt, kann eine solche Suspendierung das Karriereende bedeuten. Will die Semperoper das? Offenbar will man hier vor allem eines: alles so lassen, wie es ist. Gerrit Wedel, stellvertretender Geschäftsführer der Vereinigung deutscher Opernchorsänger und Bühnentänzer (VdO), hat die Verhandlung persönlich erlebt. „Es ist sehr bedauerlich“, so Wedel im Anschluss, „dass ein so bedeutendes Haus wie die Semperoper diesen Vorfall nicht dafür nutzt, Standards zu schaffen, wie mit Beschuldigungen dieser Art umzugehen ist. Klar ist, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt. Statt betroffenen Künstlerinnen und Künstlern aufzuzeigen, wie sie im Fall von sexueller Belästigung oder sexuellen Übergriffen agieren können, ohne dass sie ihre Karriere gefährden, wählt die Semperoper den Weg, alles unter den Teppich zu kehren. Dabei wäre es angezeigt, Prävention zu betreiben und Betroffene zu unterstützen.“ Über die Verhandlung und ihre Hintergründe berichtet hier unser Autor Boris Gruhl. Foto: Klaus Gigga