28.05.2014 | "Sie haben die Sängerin, so wird das Werk ihr folgen", erklärte Jules Massenet der Pariser Oper, die ihn gebeten hatte, die Uraufführung seiner "Thaïs" (1894) präsentieren zu dürfen. Die Rede war von Sybil Sanderson, die gerade an das Haus gewechselt hatte. Für den Komponisten war die Besetzung der Titelrolle so wichtig, dass er dem Wunsch der Opernleitung folgte. Bis heute hängt der Erfolg der Oper, die bis in die 1930er-Jahre sehr häufig gespielt wurde, danach aber seltener auf den Spielplänen zu finden war, stark von der Sängerin ab, die die Thaïs verkörpert: Jene Kurtisane aus Alexandria, die im Lauf des Geschehens der weltlichen Liebe entsagt, um sich Gott zu widmen. Athanaël hingegen, der sie bekehrte, entdeckt nun seine tiefe Liebe zu Thaïs, kann sie aber nicht leben. Am Theater Bonn wurde Nathalie Manfrino als Thais den Erwartungen gerecht. Sie "überzeugt durch präsenten, brillant gebildeten Ton und mit ihrer Kunst, die Facetten der Figur zwischen glamouröser Oberfläche, existenzieller Verunsicherung und verwandelnder Erfahrung der göttlichen Liebe stimmlich zu beglaubigen", heißt es in den "Revierpassagen". "Sie weiß alle Nuancen zum Klingen zu bringen... Sie singt die Thaïs hinreißend", ist im WDR zu hören. "Musikalisch gelingt dem Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Stefan Blunier eine lyrisch anmutende Umsetzung der Partitur... Der Chor unter der Leitung von Volkmar Olbrich überzeugt sowohl als Volk von Alexandria als auch in der Funktion der Mönche und Nonnen", so lesen wir es im Online Musik Magazin (OMM). Die Inszenierung von Francisco Negrin stößt nicht auf solch einhellige Zustimmung. Das OMM immerhin findet: "Das Regie-Team um Francisco Negrin findet für die unterschiedlichen Lebenswelten der Thaïs und des Athanaël beeindruckende Farben, Lichteffekte und Bilder." Einig sind sich die Berichterstatter über das Verdienst der Oper Bonn, die selten gespielte Oper auf die Bühne zu bringen. Das Publikum spendete begeisterten Applaus. Das Foto (Thilo Beu) zeigt Stefanie Wüst als Crobyle, Evez Abdulla als Athanaël, Charlotte Quadt als Myrtale, den Chor und die Statisterie.